Warum viele Angels gerade nicht investieren (und wie du trotzdem an Geld kommst)
- Gast
- 11. Nov.
- 4 Min. Lesezeit
Aus der Reihe „Adding Value Early“: Arnas Bräutigam (AddedVal.io) im Lunch-Break-Gespräch mit Göran Göhring (Next Mobility Labs).
Autor: Arnas Bräutigam (AddedVal.io)

Göran Göhring kennt die Höhen und Tiefen des Startup-Ökosystems. Der langjährige Unternehmer, der mit seiner Agentur jahrelang im Eventgeschäft erfolgreich war, hat sich vor einigen Jahren voll dem Angel Investing verschrieben. Unter dem Namen GGrise investiert er in technologieorientierte Gründerteams – mittlerweile über 30 an der Zahl. Doch selbst er sagt: Die Zeiten, in denen Angel-Geld locker saß, sind vorbei.
Warum viele Business Angels aktuell zurückhaltend agieren, und wie Startups dennoch erfolgreich Kapital einsammeln, erklärt er im Gespräch mit Adding Value early.
Boom vorbei, Realität zurück
Noch vor wenigen Jahren schien es, als sei Fundraising nur eine Frage der PowerPoint. Zwischen 2018 und 2021 wurden selbst unausgereifte Ideen mit siebenstelligen Summen finanziert. Die Pandemie heizte die Stimmung weiter an. Bewertungen explodierten, die Angst, einen potenziellen „Winner“ zu verpassen, trieb viele Investoren zu schnellen Entscheidungen. Auch Göran Göhring hat diese Zeit erlebt – und warnt heute vor den Folgen.
Viele Angels hätten in dieser Phase Investments zu hohen Bewertungen getätigt. Die erhofften Exits blieben jedoch aus. Einige Startups kämpfen ums Überleben, andere haben sich nicht so entwickelt, wie angekündigt. Für die Investoren bedeutet das: Ihr Kapital ist gebunden, der Spielraum für neue Deals eingeschränkt. Göhring spricht von einer gewissen Ernüchterung, die im Markt spürbar ist. „Die meisten haben heute noch Aufräumarbeiten zu tun“, sagt er. Das macht neue Investments zur Ausnahme.
Wenn das Vertrauen fehlt, hilft kein Deck
Für Gründerinnen und Gründer bedeutet diese Situation: Sie können nicht mehr mit der alten Logik ins Fundraising starten. Ein gutes Pitchdeck reicht nicht. Wer glaubt, dass eine knackige Präsentation und ein cooler Prototyp reichen, um ein sechsstelliges Angel-Ticket zu sichern, wird enttäuscht.
Göran Göhring betont, dass Vertrauen die wichtigste Währung geworden ist. Und das beginnt lange vor dem Funding-Round. „Wenn jemand einfach eine LinkedIn-Nachricht schickt, nach dem Motto: ‚Wir bauen die beste AI der Welt‘ – das ist bei mir sofort raus.“ Stattdessen achte er auf die Qualität der Ansprache, die Sorgfalt in der Vorbereitung und die Fähigkeit, Verbindungen aufzubauen.
Auch der Einstieg ins Gespräch entscheidet: Ist die Ansprache personalisiert? Kommt sie über ein warmes Intro? Ist der Absender vorbereitet und zeigt echtes Interesse? All das spiegelt für Göhring wider, wie der Gründer auch später im Markt agieren wird – etwa im Vertrieb oder im Hiring. Wer in der Angel-Ansprache schludert, wird auch mit Kunden keine gute Figur machen.
Die neue Realität für Gründer
Neben der Frage nach dem Wie hat sich auch das Wann verändert. Viele Gründer beginnen ihr Fundraising zu spät. Sie starten, wenn die Runway nur noch wenige Monate beträgt. Doch gute Angels investieren nicht unter Zeitdruck. Sie wollen vorher Vertrauen aufbauen, die Entwicklung mitverfolgen und ihre Entscheidung fundiert treffen.
Göhring rät: Gründer sollten frühzeitig beginnen, Kontakte aufzubauen – noch bevor ein akuter Kapitalbedarf entsteht. Wer heute startet, sollte mindestens sechs Monate bis zum Abschluss einplanen. In dieser Zeit kann man gezielt Events nutzen, über Kontakte warm vorgestellt werden und erste Gespräche führen, ohne gleich zu pitchen.
Gleichzeitig steigen die Anforderungen an Substanz. Früher reichte eine starke Persönlichkeit und eine gute Idee. Heute wollen Angels erste Traction sehen. Dazu gehören nicht nur Pilotkunden oder ein MVP, sondern im besten Fall bereits erste Umsätze oder klare Verträge. Gerade bei B2B-Produkten sei entscheidend, ob es Kunden gibt, die bereit sind, Geld für die Lösung zu zahlen.
So überzeugst du trotz zurückhaltender Angels
Trotz der angespannten Lage gibt es Wege zum Investment. Der erste und wichtigste Hebel: Vertrauen. Gründer müssen sich gezielt überlegen, wie sie Angels ansprechen – und über wen. Der klassische Weg über eine Empfehlung aus dem Netzwerk bleibt der Goldstandard. Wer direkt angesprochen wird und weiß, dass ein befreundeter Angel schon investiert ist, schaut genauer hin.
Darüber hinaus gewinnen Angel-Kooperationen an Bedeutung. Statt alleine zu investieren, schließen sich viele Angels in Gruppen zusammen. Bekannte Beispiele sind Better Ventures im Bereich Impact oder regionale Angel-Netzwerke. Der Vorteil für Gründer: Gelingt der Einstieg in ein solches Netzwerk, ist die Ticketgröße oft größer – und das Signaling stärker. Wer etwa 100.000 Euro von einer Angel-Gruppe einsammelt, erzeugt automatisch mehr Aufmerksamkeit bei anderen Investoren.
Ein weiterer Schlüssel ist die Vorbereitung. Göhring empfiehlt, über ein klassisches Pitchdeck hinauszudenken. Neben One-Pager und Präsentation sollten Gründer ein Q&A-Booklet vorbereiten. Darin sollten Antworten auf typische Investorenfragen klar und nachvollziehbar festgehalten werden. Dazu gehören Themen wie Teamdynamik, Marktgröße, Go-to-Market-Strategie, Wettbewerbsumfeld und Monetarisierung. Wer hier souverän antwortet, zeigt nicht nur Professionalität, sondern auch unternehmerische Reife.
Die Angel-Perspektive: Worauf es wirklich ankommt
Göhring selbst prüft Startups nach dem Dreiklang “Team, Thema, Timing”. Dabei steht für ihn das Team klar an erster Stelle. Er will wissen, ob die Gründer wirklich, wirklich Unternehmer sein wollen. Ob sie Resilienz mitbringen, Konflikte durchstehen können und sich auf Augenhöhe begegnen. In persönlichen Gesprächen testet er, wie die Gründer auf kritische Nachfragen reagieren. Nicht, um sie zu ärgern – sondern weil der Markt genau diese Härte später ohnehin mitbringt.
Auch das Thema muss zu ihm passen. Als Angel investiert Göhring vor allem in Technologien, die er zu 80 Prozent versteht – mehr nicht. Denn wer heute eine Technologie zu 100 Prozent durchdringt, ist oft zu spät dran. Frühphasen-Startups müssen einen klaren Plan haben, wie sie ein Thema langfristig entwickeln wollen. Das gilt besonders für Felder wie AI, Quantum Computing oder neue Mobilitätsformen.
Beim Timing achtet er darauf, ob ein Startup zu früh oder zu spät ist – und ob es einen realistischen Plan gibt, wie die Marktöffnung gelingen kann. Eine starke Vision allein reicht nicht. Wer etwa auf 6G-Infrastruktur baut, muss zeigen können, wie das Unternehmen heute starten und später skalieren kann.
Fazit: Fundraising ist heute Beziehungsarbeit
Die Welt des Angel Investing hat sich verändert. Das Kapital ist knapper, die Anforderungen sind höher. Für Gründer heißt das: Sie müssen besser vorbereitet sein, früher anfangen und professioneller auftreten. Wer das schafft, hat weiterhin gute Chancen – auch in einem zurückhaltenden Markt.
Denn: Gute Ideen, klare Pläne und echte Gründerpersönlichkeiten sind nach wie vor gefragt. Nur reicht heute ein gutes Pitchdeck nicht mehr. Vertrauen schlägt Vision – und echte Beziehungspflege ist das neue Pitching.
Über den Autor
Arnas Bräutigam arbeitet an der Schnittstelle von Daten, Dealflow und Storytelling. Als Mitgründer von startupdetector und AddedVal.io verbindet er präzise Registerdaten mit einer kuratierten Angel-Community – und öffnet Frühphasen-Teams die Tür zu relevanten Investorengesprächen.
In seinem Podcast „Adding Value Early“ und als Kolumnist bei Business Insider/Gründerszene teilt er konkrete Playbooks zu Fundraising, Pitch-Decks und Growth.
Hinweis: Dieser Beitrag erschien zuerst am 21. Oktober 2025 auf AddedVal.io und wird hier mit freundlicher Genehmigung erneut veröffentlicht.



